Dienstag, 30. August 2016

ONE YEAR {A FIRST CONCLUSION}

Ja, es ist wahr--wenn ihr diesen Text lest lebe ich tatsächlich schon seit einem Jahr in den USA, das heißt 12 Monate auf fremdem Boden, der mir mittlerweile gar nicht mehr so fremd erscheint. 

Ich erinnere mich noch ganz genau an den 31. August 2015, an dem mir morgens vor Aufregung so übel war wie noch nie in meinem Leben. Ohne Frühstück im Magen, dafür mit zwei Koffern im Auto verließ ich das Haus, begleitet von Familie und meinen besten Freundinnen, auf dem Weg nach Frankfurt. Das Bangen am Flughafen, ob der Koffer nicht doch zu schwer gepackt ist und ob ich ohne Probleme durch die Sicherheitskontrolle kommen werde. Der tränenreiche Abschied. Die anfängliche Coolness am Frankfurter Gate, wo ich mich selbstsicher und aufgeregt fühlte--und die anschließende Ernüchterung nach meiner Zwischenlandung in London, woraufhin ich für die nächsten acht Stunden mit den Tränen kämpfte und mich fragte WAS ZUR HÖLLE mich dazu geritten hatte, für ein verdammtes Jahr alleine nach Amerika zu gehen. Die Ankunft in der Aupairschule, die ersten internationalen Bekanntschaften, der erste Einkauf in einem amerikanischen Supermarkt. Was mir sonst von dieser Woche in Erinnerung blieb? Hitze, wenig Schlaf, mäßig gutes Essen, kaltes Wasser in den Duschen, das erste Mal NYC--und ein dauerhaftes Gefühl des Verlorenseins und Vermissens, was durch die wacklige Wlan-Verbindung nur verstärkt wurde.

Der erste große Schritt war daraufhin die Ankunft in meiner ersten Gastfamilie in den Hamptons. Damals dachte ich noch nicht, dass ich meine Gastfamilien mal numerieren müsste, dass es mehr als eine geben würde. Die ersten Wochen waren geprägt von stetig neuen Erkenntnissen, Erlebnissen, Bekanntschaften. Ich lugte zum ersten Mal aus meiner Komfortzone hervor und begann Dinge zu hinterfragen und zu erkennen, die in meinem vorherigen Leben nie eine Rolle gespielt hatten. Bin ich morgens im Bad zu laut? Ob es wohl jemanden stört, wenn ich nach neun Uhr abends nochmal durchs Hause laufe? Warum schaut L mich beim Essen komisch an? Stört es sie, wie ich esse, was ich esse oder war das nur ein unbedeutender gedankenverlorener Blick?  Warum höre ich oben hektisches Laufen--ist jemand wütend oder einfach nur gestresst? Die anfängliche Euphorie wandelte sich bald in Unzufriedenheit und Ungewissheit über die Gemütszustände meiner Gasteltern. Die Offenheit der ersten Wochen in Verschwiegenheit, aufgesetztes Lachen und gefakte Problemlosigkeit. Man könnte es auch so sagen: die Hamptons zeigten ihr wahres Gesicht, was jedoch nicht nur meinen Gasteltern sondern auch mir zuzuschreiben ist--keiner von uns suchte je das direkte Gespräch. Ich begann, morgens nicht mehr aufstehen zu wollen, würde unsicher, nervös, ängstlich. Meine Meinung behielt ich lieber für mich, regte mich nur gegenüber meinen Freundinnen auf und kehrte nach gemeinsamen abendlichen Treffen bedrückt ins Haus zurück--die Tage bis zum Ende meines Jahres zählend. Zum Glück -möchte man heute sagen-, brachte ein kleiner Autounfall das Fass zum Überlaufen-- und mich in eine neue Gastfamilie. Meine Eltern hatten schon begonnen sich Sorgen zu machen und mein Papa stellte mir ein Ultimatum--entweder ich nähme Kontakt zu einer befreundeten Gastfamilie in Massachusetts auf oder ich käme heim. Manchmal braucht es so einen kleinen Stoß, der anfangs angsteinflößend erscheint, am Ende jedoch alles ändert. Ich überwand mich, erklärte meiner Gastmutter dass ich gehen wollte, skypte gleichzeitig mit H und arrangierte den Wechsel.

Am 12.02. saß ich im Bus nach Manhattan und von dort aus ging es nach Westmassachusetts, ich verließ die Hamptons mit dem Gefühl, alles richtig gemacht zu haben--und kann das bis heute nur bestätigen. Von Tag eins an fühlte ich mich schlagartig besser in meinem neuen Zuhause--denn das ist es nun endlich, ein zweites Zuhause mit Menschen, die mich Teil ihrer Familie werden ließen. Massachusetts, seine Leute, wunderschöne Natur und Städte und vorallem meine Gastfamilie eroberten mein Herz. Und zwar so schnell, dass ich schon nach zwei Wochen übers Verlängern nachdachte--etwas das mir vorher nie in den Sinn gekommen war. Doch meine Idee bekräftigte sich in den folgenden Wochen, bis wir es im April offiziell machten, dass ich noch bis März hier leben werde. 

Mit dem Gastfamilienwechsel begann auch meine innere Veränderung, etwas dass immer so oberflächlich als "selbstständig werden" und "unabhängig sein" beschrieben wird, in Wahrheit jedoch soviel vielschichtiger ist. Man beginnt, anders zu denken, sich anders zu verhalten. Fängt an, sich weniger um die Meinung anderer zu kümmern, wie es in Schule und Kleinstadt sooft der Fall war, und mehr sich selbst zu sein. Das Entwickeln neuer Interessen, gefallen an Dingen zu finden, die einen vorher nie interessierten oder einfach nicht relevant gewesen sind. In meinem Falle ist es das Kochen, das mich mehr und mehr interessiert. Ich lerne von meiner Gastmutter und probiere die unterschiedlichsten Dinge, interessiere mich für biologische Landwirtschaft, kaufe lokal und saisonal. Ich schreibe wöchentliche Menüpläne, benutze Kochbücher, wecke ein, koche auf Vorrat für den Winter und verarbeite alles, was wir wöchentlich von der Farm beziehen. Manches geht schief, manchmal werde ich kritisiert, lerne dadurch jedoch täglich dazu. Ich habe gelernt, hochwertiger, dafür weniger zu kaufen; trinke Kaffee lieber von lokalen Röstereien als bei Starbucks und esse lieber in kleinen Restaurants und Bäckereien als bei Fastfoodketten. 

Doch nicht nur in Bezug aufs Kulinarische habe ich mich verändert: ich habe angefangen, mich mehr mit Literatur auseinanderzusetzen und einen Collegekurs besucht, der definitiv meine zukünftigen Studienpläne gefestigt hat. Ich bin strapazierfähiger, organisierter geworden, gehe später ins Bett, stehe früher auf und habe trotzdem mehr Energie als je zuvor. Ich bin offener und abenteuerlustiger geworden, mit dem Kopf voller Reisepläne und dem Vorhaben, backpacken zu gehen, sobald ich wieder zurück in Deutschland bin.
Ich sehe dieses Jahr immernoch als eine große Phase des Ausprobierens, der Herumspielens und Entdeckens, Ich versuche soviel wie möglich zu lernen, Fragen zu stellen und Antworten zu bekommen, zu Reisen sofern es mir möglich ist und Geld für Dinge auszugeben, für das ich es später in einem Leben mit Studium, Wohnung und mit einem festen Job eher nicht tun würde. Ich will alles in mir aufnehmen, ein Leben lang von meinen Erfahrungen profitieren und nicht irgendwann sagen müssen "mist, das hätte ich damals in Amerika auch machen sollen, als ich noch die Chance dazu hatte". Ich will Menschen aus sovielen Ländern und Kulturen wie möglich treffen, mir Sprachen und Traditionen beibringen lassen und Freunde fürs Leben finden. 
Denn das ist das tolle am Aupairsein--man lernt in einem Jahr soviel über sich selbst, zwischenmenschliche Beziehungen und verschiedenste Kulturen, wie es mit bloßem Reisen zwar auch möglich, aber sich schwieriger und langwieriger wäre. Man wird im besten Falle Teil einer Familie (und das ist bei mir letzendlich eingetreten und macht mich so glücklich), Teil einer Gemeinde und sozialen Gruppe, Teil eines neuen internationalen Freundeskreises, Teil eines fremdem Landes. Und das ist nicht so einfach zusammenzufassen in einem Satz wie "Mein Jahr war toll, ich bin selbstständiger geworden und habe viele Leute kennengelernt.".

Und was wird die Zukunft bringen? Weitere sechs Monate voller toller Erlebnisse, Ausflüge, Feierlichkeiten. Im Herbst endlich zu einem Footballspiel gehen, mit Aupairs und Collegestudenten abhängen, Thanksgiving und Weihnachten feiern, Wochenendausflüge machen. Im März geht es home home, wie es meine Freundin Lina so treffend ausdrückte (denn home ist mittlerweile auch hier), aber da mein Herz zweisprachig schlägt, werde ich voraussichtlich immer wieder zurückkehren. Entgegen momentaner zu Hause kursierender Gerüchte komme ich aber erstmal zurück ;)
So, das war viel "ich", aber ein Post wie dieser lag mir schon lange auf dem Herzen, um mal ein bisschen mit dem Aupairklischee von "nur auf Kinder aufpassen" aufzuräumen--denn das ist es wie ihr gerade gelesen habt nicht ganz. Genießt die Woche, bald geht es wieder los mit ein paar Monday Mix Posts.

2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Liebe Caroline!
Ich bin immer wie gefesselt, wenn ich deine Posts lese und manchmal bekomme ich richtig Fernweh, mach den vielen schönen Orten.Wir kennen uns zwar nur flüchtig, durch unseren tollen Tag an der Ostsee. Aber aus deinen Berichten kann ich lesen, wieviel Veränderung du in den letzten zwölf Monaten durchgemacht hast. Wieviel sagen wir mal, "reifer" du geworden bist. Reifer an Erfahrungen, Erlebnissen, teils auch Rückschlägen, all dies hat dich und deine Persönlichkeit für immer geprägt. Es ist so schön, durch deine Posts mit zu erleben, wie jemand so glücklich ist und wirklich jeden Augenblick genießt und dankbar für solch eine Chance ist.
Ich wünsche dir auch für die nächsten Monate weiter zahlreiche wunderbare, unvergessliche Momente.

Unknown hat gesagt…

Liebe Caroline!
Ich bin immer wie gefesselt, wenn ich deine Posts lese und manchmal bekomme ich richtig Fernweh, mach den vielen schönen Orten.Wir kennen uns zwar nur flüchtig, durch unseren tollen Tag an der Ostsee. Aber aus deinen Berichten kann ich lesen, wieviel Veränderung du in den letzten zwölf Monaten durchgemacht hast. Wieviel sagen wir mal, "reifer" du geworden bist. Reifer an Erfahrungen, Erlebnissen, teils auch Rückschlägen, all dies hat dich und deine Persönlichkeit für immer geprägt. Es ist so schön, durch deine Posts mit zu erleben, wie jemand so glücklich ist und wirklich jeden Augenblick genießt und dankbar für solch eine Chance ist.
Ich wünsche dir auch für die nächsten Monate weiter zahlreiche wunderbare, unvergessliche Momente.